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Ich
über mich
Wie
oft habe ich mich schon gefragt, wozu es gut sein soll, über
mich selbst zu schreiben. Für wen können diese autobiografischen
Randbemerkungen wichtig sein? Es steht doch alles über mich
und meine Ansichten in meinen Büchern. Ein wenig verdeckt zwar,
aber ich bin nun einmal nicht für diese Art Freikörperkultur.
Außerdem meine ich: wer mit seiner Arbeit in die Öffentlichkeit
geht, wer neben der Absicht, unterhalten zu wollen, auch noch Wissen
vermitteln möchte und womöglich sogar beim nachdenklichen
Leser etwas in Gang setzen will,
der hat hinter seine Bücher zurückzutreten.
Und
trotzdem werde ich immer wieder gefragt, warum ich schreibe. Den
Kindern, denen ich alljährlich einige Wochen tagtäglich
vorgelesen habe, die konnte ich verstehen. Hinter ihrer Frage vermutete
ich das Grauen vor dem Aufsatz-Muss und ihre Verwunderung, dass
ich freiwillig schreibe. Aber die Erwachsenen? Ob sie einen Maler,
einen Komponisten mit derselben Selbstverständlichkeit fragen,
warum er malt, warum er komponiert? Oder ob sie einen Schriftsteller
nur deshalb fragen, weil sie sich auf eine naive Weise mit ihm verbunden
fühlen, nur weil sie gute Briefe schreiben können?
Ja,
aber warum schreibe ich denn nun? Warum setze ich mich immer wieder
dem Wagnis, dem Abenteuer und der Plage aus, ein Buch anzufangen
und zu Ende zu bringen? Wie leicht wäre es zu antworten:
Weil ich Freude daran habe. Das klingt gut und erweckt den Eindruck,
als sei Bücherschreiben ein einziges Tête-à-tête
mit der Muse. In Wahrheit ist es immer von neuem ein Kampf mit sich
selber, ein Kampf mit der Sprache, die man zu beherrschen meint
und die doch so spröde ist, ein Kampf mit den sich überstürzenden
Gedanken, die davoneilen wollen und die mühsam gezähmt
werden müssen. Es ist ein wochentäglich abends um 8 Uhr
beginnender vierstündiger Kampf, oft genug auch an den Wochenenden.
Warum
schreibe ich also, freiberuflich, wie ich bin, zuzeiten mit Fieberkopf
oder Zahnschmerzen? Und warum habe ich dem Fließbandarbeiter
gegenüber kein schlechtes Gewissen, wie ich das schon Schriftstellerkollegen
habe sagen hören? Ganz einfach, weil ich selbst am Fließband
gestanden habe und deshalb weiß, wovon ich spreche.
Wenn
ich mir vorstelle, ich hätte das alles plötzlich nicht
mehr, dieses Auseinandersetzen mit sich selbst und den Schicksalen
anderer Menschen, die im Denk- und Schreibverlauf zu den Menschen
meiner Bücher werden, wenn ich mir vorstelle, ich könnte
die vielen Erfahrungen und alles, was mir so im Laufe der Jahre
über den Weg gekommen ist, ich könnte es nicht mehr umformen
in die Erzählungen meiner Bücher - wie armselig wäre
das Leben mit einem Mal. Das heißt also, die Antwort auf die
Frage, warum ich schreibe, heißt ganz egoistisch: Ich gebe
meiner Phantasie, meinen Erfahrungen und meinen Träumen
eine Form - ich schreibe, um zu leben.
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